Sich-Hinein-Versetzen ist noch lange keine Empathie

Florian Schmidsberger • 3. April 2018

Zur leiblichen Basis von Empathie

Gemeinsam mit Prof. Henriette Löffler-Stastka von der Medizin Universität Wien habe ich 2018 einen Beitrag in einem medizinischen Journal zur Empathie-Theorie veröffentlicht. in diesem Artikel bin ich einer These von Thomas Fuchs nachgegangen, der Empathie in einer körperlichen Erfahrung in der Begegnung mit anderen verankert.


Der Beitrag steht im Zeichen der Frage: Wie sind uns Gefühle anderer zugänglich? Wie ist das emotionale Leiden anderer Personen für uns erfahrbar? Diese Fragefelder nehmen Bezug auf die aktuelle Debatte zu sozialem Verstehen und Empathie. Im Artikel greife ich den Empathie-Begriff von Thomas Fuchs auf und diskutiere diesen kritisch. Thomas Fuchs formuliert einen phänomenologischen und interaktionalistischen Ansatz, der sich um eine vis-a-vis Begegnung sowie eine leibliche Verflechtung (bodily intertwinement) mit Anderen formiert. Fuchs verwendet hierfür die Begriffe »Zwischenleiblichkeit« und »Interaffektivität«.


Mit seinem Ansatz akzentuiert er eine »leibliche Basis von Empathie und sozialem Verstehen« sowie ein praktisches, leibliches Befasst-Sein mit Anderen in einer gemeinsamen Situation. Hiermit widersetzt er sich aktuellen Konzepten einer Simulations-Theory bzw. einer Theory-of-Mind-Theory.


Beide Ansätze haben gemein, dass sie die Beobachtung von der Warte der dritten Person als das maßgebende Paradigma für soziales Verstehen und Empathie ansehen. Verhalten wird von einer passiven, losgelösten Beobachterperson aus bestimmt, jede Form teilnehmender Interaktion mit anderen hingegen stillschweigend vernachlässigt. Für beide Positionen ist es unmöglich, das geistige Leben Anderer zu erfahren, beide setzen eine fundamentale Verborgenheit des Geistes anderer Personen voraus.


Fuchs tritt mit seinem Ansatz einer verkörperten Affektivität bzw. Interaffektivität im Rahmen eines gemeinsamen lebenspraktischen Kontextes hierzu in Opposition. Der Leib wird verstanden als sichtbarer und öffentlicher Ausdruck des eigenen geistigen und emotionalen Lebens – erfahrbar für andere. Mit diesem Grundgedanken, wonach der sichtbare und erfahrbare Leib einen Zugang zu bzw. für andere bereithält, formuliert Fuchs ein alternatives, phänomenologisches Konzept von Empathie. Ebenso sei entlang seiner Ausführungen zu Psychopathologien der Frage nachgegangen, wie es möglich ist, dass ein leiblich fundiertes Verstehen der Gefühle Anderer verschlossen bleibt.


Hieran schließe ich einige kritisch Anfragen an dessen Empathie-Konzept angeschlossen: Welche Rolle spielt mittelbares, kontextuelles Wissen für eine leiblich fundierte Empathie? Vor dem Hintergrund anderer Ansätze in der phänomenologischen Theoriegeschichte sollen weiters Relationen in empathischen Begegnungen mit Anderen herausgearbeitet werden, um zu prüfen, ob die »erweiterten Formen der Empathie« bei Fuchs imstande sind, das Fremde und Andere des emotionalen Erlebens anderer Personen zu erfahren, oder ob sie der Egozentrik eines Sich-Hineinversetzens verhaftet bleiben?


Den vollständigen Beitrag (Englisch) finden Sie hier.

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